Gastkommentar

Als Exportartikel nur beschränkt tauglich

Die «Dualisierung» ganzer Berufsbildungssysteme in Partnerländern muss skeptisch beurteilt werden.

Markus Maurer, Matthias Jäger und Martin Fässler
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Ein Automatiker Lehrling bei seiner Arbeit im Berufsbildungszentrum der Siemens Schweiz AG in Zürich. (Bild: Annick Ramp / NZZ)

Ein Automatiker Lehrling bei seiner Arbeit im Berufsbildungszentrum der Siemens Schweiz AG in Zürich. (Bild: Annick Ramp / NZZ)

Die Berufsbildung der Schweiz geniesst im Inland wie im Ausland einen guten Ruf. Viele überzeugt sie aufgrund ihrer Praxisnähe und der Einbindung der Unternehmen in Steuerung und Umsetzung. Und auch wenn sich der Zusammenhang zwischen etablierter Berufsbildung und im internationalen Vergleich tiefer Jugendarbeitslosigkeit nicht eindeutig erhärten lässt, so ist doch unbestritten, dass die Berufsbildung in der Schweiz einen wichtigen Beitrag zur Integration junger Menschen in den Arbeitsmarkt leistet. Da in vielen Ländern gerade der Übergang vom Bildungssystem in die Arbeitswelt mit Schwierigkeiten verbunden ist, liegt es nahe, dass die Schweiz ihre Berufsbildungs-Fachkompetenz in die internationale Zusammenarbeit einbringt. Wie das geschehen soll, ist allerdings umstritten.

Noch vor einigen Jahren war das damalige Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) der Überzeugung, dass die duale Berufsbildung ins Ausland exportiert werden solle. Diesen Ansatz setzte das Amt exemplarisch in einem Projekt in Indien um, das u. a. Swissmem unterstützte. Auf das BBT folgte dann das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI). Dieses nahm die Exportstrategie wieder zurück und setzt nun stärker auf fachlichen Austausch zwischen der Schweiz und Partnerländern sowie auf die Unterstützung ausgewählter internationaler Projekte, die auch von Organisationen der Arbeitswelt mitgetragen werden.

Während das Exportansinnen des BBT in der Berufsbildungslandschaft der Schweiz grösstenteils begrüsst wurde, löste es in der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) Verunsicherung aus. Plötzlich sahen sich ihre Berufsbildungsprojekte mit der Frage konfrontiert, inwiefern sie sich am dualen Berufsbildungsmodell orientierten. Dies war bis dahin für die Deza kein relevantes Kriterium. Um durch Ausbildung einen möglichst direkten Beitrag zur Armutsreduktion zu leisten, setzte man v. a. auf Kurzkurse für bestimmte Zielgruppen. Man suchte zwar oft die Rücksprache mit Verbänden oder Unternehmensvertretern, es ging aber selten um betriebliche Praxis. Mit wachsendem öffentlichem Interesse am Berufsbildungsportfolio führte die Deza diesem Bereich mehr Geld zu, auch verstehen sich jetzt Projekte als «dual». Am Ziel der Armutsreduktion und der damit verbundenen Ausrichtung auf sozial schwache bedürftige Gruppen wird bis heute jedoch festgehalten.

Die Tatsache, dass sich die Deza wieder stärker mit Berufsbildung beschäftigt, ist zu begrüssen.

Wie sind diese jüngeren Entwicklungen zu beurteilen? Die Tatsache, dass sich die Deza wieder stärker mit Berufsbildung beschäftigt, ist zu begrüssen. Es handelt sich um einen Bereich, in dem die Schweiz über viel Fachkompetenz verfügt, der nachweislich einen Beitrag zur sozialen und zur wirtschaftlichen Entwicklung leisten kann und entsprechend auch in der Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsagenda der Vereinten Nationen eine Rolle spielt. Gerade diese auf nachhaltige Entwicklungsziele ausgerichtete Agenda erlaubte es nun jedoch, von einer eng verstandenen, auf unmittelbare Resultate ausgerichteten Armutsorientierung Abstand zu nehmen.

Für Projekte der Berufsbildung bedeutete dies erstens, dass sie sich nicht nur an sozial marginalisierte, sondern vermehrt auch wieder an schulisch erfolgreichere junge Menschen richten sollten. Genau dies fordern häufig auch Vertreter der Arbeitswelt in Entwicklungs- und Schwellenländern, denn oft mangelt es an Fachkräften mittleren Qualifikationsniveaus. Zweitens bedarf es auch wieder stärkerer Anstrengungen in der Systementwicklung, etwa im Bereich der Ausbildung von Lehrpersonen, welche in den letzten Jahren stark vernachlässigt wurde.

Die «Dualisierung» ganzer Berufsbildungssysteme in Partnerländern beurteilen wir allerdings skeptisch. Berufsbildungszusammenarbeit, die sich von den Voraussetzungen und Bedürfnissen spezifischer Kontexte leiten lässt, führt notwendigerweise zu einer Palette unterschiedlicher Ansätze. Dabei können duale Modelle Teil eines Puzzles sein. Sie kommen vor allem dort zum Tragen, wo die Voraussetzungen mit kooperationswilligen Betrieben und Verbänden in dynamischen Branchen und Regionen gegeben sind. Zum anderen sind zentrale Elemente dual organisierter Berufsbildung, etwa die Verbindung schulischer und betrieblicher Ausbildung in Form von Praktika oder die Zusammenarbeit mit Verbänden und Unternehmen, zu zentralen Anliegen von Berufsbildungsprojekten anderer, auch angelsächsischer oder nordischer Geber geworden. Das ist zwar eine erfreuliche Entwicklung, aber kein Alleinstellungsmerkmal von Berufsbildungsprojekten schweizerischer oder deutscher Prägung mehr. Aber vielleicht ist das Label ja ohnehin eher für das heimische Publikum gedacht.

Markus Maurer ist Professor für Berufspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Zürich; Matthias Jäger ist Organisationsberater mit Schwerpunkt Berufsbildung; Martin Fässler ist Berater für internationale Zusammenarbeit.